die Fällung von zwei Linden
Baumfällung in Stöppach

-----Original Message-----
Date: Sun, 15 Mar 2009 13:30:56 +0100
Subject: Re: Baumfällung in Untersiemau OT Stöppach
From: "Wolfgang Weiss" <wfx.weiss@gmx.de>
To: " Stammberger" <stammbergerheinz@t-online.de>
Sehr geehrter Herr Stammberger,
die Reaktionen vieler Bürger auf die Fällung von zwei Linden neben einer Parkbank in Stöppach sind nachvollziehbar und verständlich. Der Wert alter Bäume in oder an Siedlungen steht nicht in Frage, sie erfüllen viele Funktionen (ästhetische, soziale, ökologische) und werden als wertvolle Bestandteile der Umgebung wahrgenommen.
Die Gemeinde Untersiemau ist aber - wie andere Kommunen auch - verpflichtet, potentiellen Gefahren, die von ihrem Baumbestand in oder an öffentlichen Plätzen, Straßen und Wegen, zu begegnen (Verkehrssicherungspflicht). Grundlage hierfür ist § 823 BGB. Details sind im Gesetz nicht geregelt, sondern ergeben sich aus einer umfangreichen Einzelfallrechtssprechung. Und das macht es den Kommunen schwer, klare Grenzen zu ziehen zwischen der Zumutbarkeit von Gefahren, die sich aus dem Vorhandensein von Bäumen ergeben, und der Beseitigung von möglichen Risiken und Gefahren, deren Unterlassen zu Schadenersatzansprüchen führen kann.
Ich wurde von der Gemeinde Untersiemau gebeten, einzelne Bäume hinsichtlich ihrer Risiken zu bewerten. Das ist meine Aufgabe bei Bäumen des Gemeindewaldes, die entlang öffentlicher Straßen stehen (ergibt sich aus dem Betriebsleitungs- und -ausführungsvertrag zwischen dem Amt für Landwirtschaft und Forsten und der Gemeinde Untesiemau). Bei dem weiteren Baumbestand im Siedlungsbereich oder auf Friedhöfen bin ich als Förster nicht zuständig, äußere aber auf Bitte der Gemeinde gerne meine Meinung. Das habe ich auch im Fall der Linden in Stöppach getan. Nochmals: ich habe der Gemeinde Untesiemau keine Aufträge erteilt, ich habe meine Meinung geäußert und einen Rat gegeben. Die Entscheidung lag letztendlich bei der Gemeinde.
Mit Herrn Reißenweber besichtigte ich am 24. Oktober 2008 bei einem Ortstermin u.a. die Bäume in Stöppach. Bei beiden Linden war Totholz im Ast- und Giebelbereich vorhanden. Ferner wiesen beide Linden eine ungünstige Verzwieselung im Kronenbereich aus, die wahrscheinlich auf unsachgemäße Rückschnitte in den vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen ist. Es hätte auf jeden Fall eine Maßnahme erfolgen müssen, da sich sowohl aus dem Vorhandensein von dürren Ästen bzw. Astteilen, als auch aufgrund ungünstiger Verzwieselungen Gefahren für Personen ergaben, die sich unter oder bei den Bäumen aufhalten. Neben einem entsprechenden Rückschnitt wäre eventuell auch eine Kronensicherung mit Seilbrücken oder anderen technischen Maßnahmen nötig gewesen. Dieses hätte aber schlussendlich ein Spezialist entscheiden müssen.
Ich ziehe eine Fällung von Gefahrenbäumen mit anschließender Neupflanzung einem Rückschnitt und einer technischen Sicherung vor. Das habe ich auch in diesem Fall empfohlen. Nach meiner Erfahrung sind Rückschnitte und technische Sicherungen i.d.R. teuer, die Bäume müssen für die folgenden Jahre intensiv "begleitet" werden und manchmal verhindern auch diese Maßnahmen nicht die Fällung des Baumes. Beispiel Blutbuche am Portikusbau in Coburg.
Ich als "grüner Förster" bin nicht nur für die Bäume und die Sicherung ihres Bestandes und ihrer Lebensgrundlagen da, ich muss auch die berechtigten Interessen der Menschen mit berücksichtigen. Schöne Bäume im Siedlungsbereich zu haben, ist das eine Interesse. Vor möglichen Gefahren geschützt zu werden, die von diesen Bäumen ausgehen, ist das andere Interesse. Dieses Interesse wird vor allem dann laut und deutlich eingefordert, wenn etwas passiert. Und dann beschäftigen sich Gerichte mit Fragen der Haftung, der Verantwortung und der Schadenersatzpflicht. Die Gemeinde Untersiemau muss der Verkehrssicherungspflicht nachkommen, und die sich daraus ergebenden Maßnahmen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zu Aufwand und Kosten stehen.
Anbei sende ich Ihnen den Abdruck eines Gerichtsurteils des Amtsgerichts Coburg und das Urteil des Oberlandesgerichtes Bamberg zum selben Fall. Hier ist ein Waldbesitzer zum Schadenersatz verpflichtet worden, weil trotz zweimaliger Baumschau eine potentielle Gefahr bei einem gesunden Baum nicht erkannt wurde. Der Förster hätte das Risiko eines sogenannten Druckzwiesels richtig einschätzen müssen. Gott sei Dank ging es in diesem Fall nur um einen Sachschaden. Was für ein Urteil wäre herausgekommen, wenn die Gesundheit oder das Leben einer Person gefährdet gewesen wäre? Bitte denken Sie immer auch aus der Sicht der Gemeinde und der in der Kommune verantwortlichen Personen!
Ich glaube, dass eine Parkbank unter zwei alten Linden aus diesem Flecken einen besonderen Ort macht, an dem von den Gerichten besonders hohe Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht gestellt werden. Ein Platz, der zum Verweilen einlädt, erfüllt andere Kriterien als ein Waldstück, das ich betrete. Ich denke, dass zwei neu gepflanzte Bäume, entsprechend gepflegt und sachkundig begleitet, diesen besonders hohen Anforderungen genügen werden. Bäume haben einen wichtigen Platz auch in unseren Dörfern und Ortsteilen. Das soll so bleiben. Aber sie müssen gewisse Kriterien erfüllen.
Herr Stammberger: als "Grüner" nehme ich auch die Risiken der Atomenergie sehr ernst. Die angeblich "sichere" Erzeugung von Atomstrom und die "sichere" Endlagerung von Atommüll sind so sicher gar nicht. Das haben doch die zahlreichen Unfälle und Störfälle und die Vorkommnisse in Asse gezeigt. Dieses Risikobewusstein ist bei Bündnis 90/Die Grünen Konsens. Als "Grüner" muss und will ich mich nicht schützend vor jeden Baum stellen. Da kann ich ein gewisses Risikobewusstsein nicht einfach ausblenden! Eine differenzierte, an der Sachlage orientierte Wahrnehmung und Entscheidung ist angesagt, auch bei den Bäumen in Stöppach. Ich meine: die Gemeinde Untersiemau hat richtig entschieden. Sicherlich hätte man bei der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern einiges besser machen können. Aber das ändert nichts an der Entscheidung, die ich aus meiner Sicht für die richtige halte.
Ich möchte zum Abschluss Herrn Friedrich Rauer von der Neuen Presse (13.05.1978) zitieren, der einen Kommentar zum Tod einer 15-jährigen Schülerin und den darauf folgenden Baumfällungen in der Schwarzen Allee schrieb. Das Mädchen war auf dem Schulweg von einem Kastanienast erschlagen worden. Dieser traurige Fall zeigt die andere Seite auf - was ist, wenn dann tatsächlich etwas passiert?
"Ein Aufschrei der Empörung hätte sich in Coburg erhoben, wäre vor 14 Tagen jemand auf die Idee gekommen, die mächtigen alten Kastanien in der Schwarzen Allee abzuholzen. Jetzt sollen sie tatsächlich gefällt werden - und keine Stimme des Protestes wird laut. Selbst die Naturschützer, die sich gern als 'Anwälte der Natur' bezeichnen, sind verstummt angesichts des Schocks, den der Tod einer 15jährigen Schülerin ausgelöst hat, die am vergangenen Montag von einem herabstürzenden Ast getroffen wurde..." Und weiter: "...Wenn es sich um Bäume handelt, die deutliche Fäulnisstellen und noch andere Krankheitssymptome aufweisen, wird man nach dem Tod von Monika Sauerbrey vor einem solchen Sicherheitsrisiko nicht mehr die Augen verschließen können und sich sagen: 'Es wird schon nichts passieren.' Niemand wird es jetzt noch verantworten wollen, eine erkennbare Gefahr zu ignorieren."
Herr Hans Stubert, damals Mitglied im Naturschutz, entgegnete in seinem Leserbrief am 18.05.1978 Herrn Rauer: "Wenn Sie Naturschutz und Schutz der Bäume einer Stadt betrachten, dann trennen Sie bitte folgendes scharf. Da Naturschutz im modernen Sinne auch und in erster Linie Schutz des menschlichen Lebens ist, kann kein Naturschützer wollen, dass ein Baum stehen bleibt, der ein Risiko für Menschen darstellt." Und er präzisiert an anderer Stelle: "Naturschutz, Baumschutz, heißt nicht, sinnlos alte Bäume zu erhalten, die sterben müssen, sondern an deren Stelle neue Bäume zu pflanzen, jenen Grüngürtel zu erhalten, der in Coburg noch da ist."
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Weiß
----- Original Message -----
From: Stammberger
To: wfx.weiss@gmx.de
Sent: Saturday, March 14, 2009 7:51 PM
Subject: Baumfällung in Untersiemau OT Stöppach
Hallo,
wie sicher in der NP zu lesen war, sind die Baumfällung in Untersiemau Ortsteil Stöppach auf großes Interesse gestoßen. Die beiden Linden am alten Bockstall haben die Gemüter sehr erregt. Es geht sogar soweit, dass die Arbeit im Vereins für Gartenbau und Ortsverschönerung Stöppach e.V. in Frage gestellt wird.
Laut Auskunft des Bürgermeisters, während der JHV des Vereins wurde geäußert: "wenn der ganz grüne Förster Wolfgang Weiß, sich für eine Fällung ausspricht, dann muß die Gemeinde handeln."
Da ich als ehemaliger Vorsitzender des Vereins mich schon vor Jahrzehnten für die Pflege und Erhaltung eingesetzt habe, werde ich jetzt immer gefragt, wieso so etwas geschehen kann.
Ich hatte am Tag der Fällung mindesten zehn Telefonanrufe und fast die gleiche Anzahl von persönlichen Gesprächen. Einige Beschwerdeführer hatten sogar Tränen in den Augen.
Jetzt als aktives Mitglied in der Unabhängigen Wählergruppe Untersiemau e.V., ( Schriftführer) zu der auch Gemeinderat Otto Ruppert gehört, ist die Fällung in der Bevölkerung, auch für die Arbeit der uwg-untersiemau, sehr nachteilig aufgenommen worden.
Bei ersten Beschwerden in der Gemeindeverwaltung wurde eine Pilzkrankheit,
später ein hohler Baumstamm, der aber auf meinen aufgenommen Fotos widerlegt wurde
später dann Totholz, welches aber die Anlieger nie sahen
vorgeschoben.
Vielleicht könnten Sie Ihre Argumente für die Fällung in einer Antwort auflisten, die dann auch auf der Homepage der uwg-untersiemau.de und evtl in anderen Medien veröffentlicht werden könnte.
mfg
heinz stammberger
Abs.
Heinz Stammberger
Schernecker Str. 14
96253 Untersiemau
Tel. 09565 1656
E-Mail stammbergerheinz@t-online.de / oder
admin@uwg-untersiemau.de
Die Fällung der 2 Linden als pdf-Datei
Die Fällung der beiden Linden in Untersiemau OT Stöppach als PDF-Datei [21 KB]
: Antwort des Försters Wolfgang Weiß